Ingolstadt
Das Produktdesign der Zukunft ist grün

Der Audi Aicon: Nachhaltigkeit als Ziel für die Fahrzeugentwicklung
Audi arbeitet mit Hochdruck an einer Mobilität von morgen, die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt. Ein Paradebeispiel dafür ist der Audi Aicon, das spektakuläre Concept Car von der IAA in Frankfurt/Main 2017. Der luxuriöse 2+2-Sitzer wird rein elektrisch angetrieben, eine Batterieladung reicht für 800 Kilometer Strecke.
“Nachhaltigkeit als Innovationschance zu begreifen, ist nicht nur aus Unternehmenssicht, sondern auch aus Kundensicht wichtig.”
Der Nachhaltigkeitsansatz, für den sich Audi beim Aicon entschieden hat, geht jedoch über die Antriebstechnik hinaus und bezieht auch das Design mit ein. „In weiten Bereichen des Interieurs sind reycelbare und recycelte Materialien im Einsatz“, erklärt Barbara Krömeke. Die Sitzbezüge bestehen aus Climatex – einem Stoff aus Polyesteroberware- und reiner Wolle in der Unterware, der nach dem C2C-Konzept entwickelt wurde und sich nach Ende des Fahrzeuglebens sortenrein trennen und wiederverwerten lässt. „Das Ausgangsmaterial für den Bodenteppich sind Garne von alten Fischernetzen. Diese Garne werden abgeschoren, zu Granulat geschreddert und danach zu neuen Fäden versponnen, um dann wieder für einen neuen Bodenteppich in Fahrzeugen eingesetzt werden zu können“, führt die Expertin weiter aus. Nachhaltigkeit als Innovationschance zu begreifen, ist nicht nur aus Unternehmenssicht, sondern auch aus Kundensicht wichtig – da sind sich Barbara Krömeke und Prof. Michael Braungart einig.
Warum wir oftmals das Falsche perfekt machen
Was ist der Unterschied zwischen effizient und effektiv? Prof. Dr. Michael Braungart erläutert ihn an einem Beispiel. Kunst, so erklärt er, habe nie zum Ziel, effizient zu sein – sie sei jedoch durchaus effektiv. Große Künstler hätten Wege gefunden (oder erfunden), die Herzen ihres Publikums zu erreichen, was auf Effektivität schließen lasse. Bisher handeln die Menschen in den wohlhabenden Gesellschaften größtenteils nach der Devise „Von der Wiege zur Bahre“ und erzeugen dabei jede Menge Abfall, giftige Substanzen und Umweltverschmutzung. Selbst dort, wo die Hersteller Wert auf Ökoeffizienz legen, begnügen sie sich faktisch damit, die unbeabsichtigten negativen Konsequenzen der Produktions- und Konsumprozesse zu reduzieren.

Barbara Krömeke
Barbara Krömeke ist Fachexpertin für Leder und Lederverarbeitung bei Audi und verantwortlich für das Projekt A8. Sie berichtete von den Projekten und Visionen der Marke im Bereich Ecodesign.

Prof. Dr. Michael Braungart
Prof. Dr. Michael Braungart ist Professor für Ecodesign an der Leuphana Universität Lüneburg und entwickelte zusammen mit William McDonough das Cradle to Cradle-Konzept. Im Oktober war er zu Gast bei Audi und gab einen Einblick in die Thematik.
“Warum nicht besser sein und einen möglichst großen positiven Fußabdruck hinterlassen?”
Das Cradle to Cradle-Konzept (Von der Wiege zur Wiege), das Prof. Dr. Michael Braungart und der US-amerikanische Architekt William McDonough schon Ende der 90er Jahre entwickelt haben, setzt sich Ökoeffektivität zum Ziel. Es steht für kontinuierliche Materialkreisläufe und positiv definierte Materialien, die für Mensch und Umwelt gesund sind. Die Ökoeffektivität, die es anstrebt, stellt einen neuen Qualitätsansatz dar: Es geht darum, die Möglichkeiten der Industrie so zu verbessern, dass natur- und umweltunterstützende Produkte und Prozesse möglich werden. Ein Produkt, das Abfall produziert, ist ein Qualitätsproblem.
„Weniger schlecht ist noch lange nicht gut“, bilanzierte Prof. Dr. Michael Braungart bei der Vortragsreihe in Ingolstadt. Die heute häufig genannte Zielsetzung, den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, findet der Professor falsch, denn sie führe langfristig nur zu einem schlechten Gewissen in der Bevölkerung. Der C2C-Entwickler macht einen anderen, radikalen Vorschlag: „Warum nicht besser sein und einen möglichst großen positiven Fußabdruck hinterlassen?“. Cradle to Cradle sieht den Menschen als Chance und nicht als Belastung. Es geht nicht darum, die Umwelt vor uns zu schützen, sondern darum, gute Produkte herzustellen.
Grünes Produktdesign
Das Thema wurde im Rahmen der Audi-internen Vortragsreihe „Perspektive Verantwortung“ behandelt.